2 Grundlagen

 

In diesem Kapitel werden die physikalischen Grundlagen vibronischer Festkörperlasermedien erläutert. Weiterhin werden die zur Modellierung der zeitlichen Entwicklung der Intensität, des Spektrums und der transversalen Struktur der Laserstrahlung verwendeten Modelle und Näherungen erläutert. Dabei spielt der Einfluss der durch die optische Anregung hervorgerufenen transienten Temperaturverteilung im aktiven Medium auf die spektralen Eigenschaften der Lasermedien und das transversale Modenprofil im Resonator eine besondere Rolle.

Zur Motivation der Untersuchungen wird am Anfang des Kapitels das Messprinzip des Kohärenzradars beschrieben, um daraus auf die physikalischen Anforderungen an die Lichtquelle zu schließen (Kapitel 2.1). Die spektralen und thermischen Eigenschaften vibronischer Festkörperlasermedien werden zunächst am Beispiel des Ti:Saphirs und des Alexandrits detailliert erläutert (Kapitel 2.2). In Kapitel 2.3 wird auf die longitudinale Anregung und die daraus resultierende Temperaturverteilung und Brechungsindexverteilung im Laserkristall eingegangen. Anschließend werden die Ratengleichungsmodelle für die Absorption bei Anregung mit Nanosekunden-Pulsen (Verstärkungsschaltung) und bei quasi-kontinuierlicher Anregung (qcw-Anregung) vorgestellt. Die daraus berechneten Inversionsdichteverteilungen im Kristall und die Brechungsindexverteilungen werden für die in Kapitel 2.4 beschriebene Resonator-Modellierung benötigt. Aus dem für verschiedene Wellenlängen berechneten transversalen Lasermode im aktiven Medium wird der wellenlängenabhängige Überlapp mit dem Verstärkungsprofil ermittelt. Dadurch kann die Ortsabhängigkeit der Inversion für die Ratengleichungen eliminiert werden. Abschließend werden die Ratengleichungsmodelle für die Verstärkungsschaltung (Ti:Saphir, Alexandrit) und für die qcw-Anregung (Ti:Saphir) unter Berücksichtigung der Temperatureinflüsse und der Einflüsse der transversalen Modenstruktur erläutert und numerisch gelöst (Kapitel 2.5).

 

2.1 Messprinzip des Kohärenzradars

 

Das Kohärenzradar ist ein an der Universität Erlangen entwickelter optischer Sensor zur berührungslosen Erfassung dreidimensionaler Objektstrukturen [Dr92, Et98]. Es gehört zur Gruppe der "Scanning White Light Interferometer" (SWLI) und erlaubt die Vermessung optisch rauer Objekte mit geringer longitudinaler Messunsicherheit. Optisch rau bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Rauheit der Oberfläche größer als die Emissionswellenlängen der verwendeten Lichtquelle ist. Die Definitionen der verschiedenen Rauheitskenngrößen sind im Anhang A dargestellt.

In Abbildung 2.1 ist der Kohärenzradaraufbau mit divergenter Strahlführung skizziert. Der Aufbau entspricht prinzipiell dem eines Michelson-Interferometers. Die raue Referenz und das zu vermessende Objekt werden im Gegensatz zum klassischen Michelson-Interferometer mit partiell kohärentem Licht beleuchtet. Dabei dient die diffuse Streuung an der rauen Referenz zur Verringerung der Intensität des rückgestreuten Lichts. Die teilreflektierende Schicht des 50%-Strahlteilers befindet sich zwischen zwei Quarzglasplatten gleicher Stärke, um die Dispersion in beiden Interferometerarmen auszugleichen. Zusätzlich können zum Abgleich der Intensitäten Graufilter in beide Interferometerarme eingebracht werden. Damit wird erreicht, dass die Intensitäten des rückgestreuten Lichts beider Interferometerarme gleich sind und die Intensität der inkohärenten Überlagerung die Hälfte des Dynamikbereichs der Kamera ausschöpft. Die raue Referenz wird über das Teleskop auf das Si-CCD-Array einer Kamera abgebildet. Das Objektiv ermöglicht das Zoomen in Teilbereiche des Objekts sowie eine Variation der Beobachtungsapertur über die eingebrachte Blende. Aufgrund der geringen Kohärenzlänge des einfallenden Lichts (einige Mikrometer) ist Interferenz nur in direkter Umgebung gleicher Interferometerarmlängen sichtbar. Diese Ebene wird als Referenzebene bezeichnet. Das Objekt wird mit einem Linearverschiebetisch hoher Ortsauflösung durch die Referenzebene bewegt, an den Schnittlinien mit der Objektoberfläche treten Interferenzerscheinungen auf, sogenannte Speckleinterferenzen. Diese werden mittels Rechner gestützter Bildverarbeitung erfasst und ausgewertet.

Abb. 2.1 Prinzipieller Aufbau des verwendeten Kohärenzradars mit divergenter Strahlführung

 

Die Ausbildung der Speckle kann wie folgt beschrieben werden:

Eine kohärent beleuchtete optisch raue Oberfläche ist Ausgangspunkt von Huygens’schen Elementarwellen, die abhängig von ihrer Phase konstruktiv oder destruktiv interferieren. Aufgrund des begrenzten Auflösungsvermögens der Abbildung (Auge, Teleskop) durch die begrenzte Apertur entstehen körnige, statistisch verteilte Strukturen (Speckle). Innerhalb dieser Beugungsstrukturen werden die Phasen der Elementarwellen gemittelt, man spricht dann von der Specklephase. Die laterale Ausdehnung der Speckle ist abhängig von der räumlichen Kohärenz des Lichts der Lichtquelle und der Apertur des abbildenden Teleskops. Ist die Größe des Kohärenzgebietes am Ort des Objekts größer als das laterale Auflösungsvermögen der Abbildung des Teleskops, so ergibt sich der Speckledurchmesser ds zu [Et95]:

(Gl. 2.1)

Hierbei ist l die mittlere Wellenlänge des Spektrums der breitbandigen Lichtquelle, fl die Brennweite der abbildenden Linse und rb der Blendenradius. Die Specklegröße wird durch die Variation des Blendendurchmessers an die Pixelgröße der CCD-Kamera angepasst. Dadurch wird garantiert, dass nicht mehrere Speckle auf ein Pixel abgebildet und damit die gemessenen Intensitäten gemittelt werden.

Ein weiteres Kriterium für die Ausbildung der Speckle ist die zeitliche Kohärenz, deren charakteristische Größe die Kohärenzlänge lc ist. lc ist hier definiert als die Breite der Kontrastfunktion (Michelson-Interferometer), bei der die Intensität unter die 1/e Schwelle der maximalen Intensität abgesunken ist. Die Kohärenzlänge ergibt sich dann aus der Bandbreite des Intensitätsspektrums  (FWHM) zu:

(Gl. 2.2)

Die zeitliche Kohärenz ist gewahrt, wenn die Kohärenzlänge des Lichts folgende Bedingung erfüllt [Dr92]:

(Gl. 2.3)

sh Standardabweichung des Höhenprofils der Oberfläche (Oberflächenrauheit Rq)

Bei zu geringer Kohärenzlänge überlagern sich dekorrelierte Specklemuster aus unterschiedlichen Tiefen des Oberflächenprofils, die gemessenen Intensitäten werden gemittelt und die Tiefenauflösung des Messverfahrens sinkt.

Auf einem Pixel der CCD-Kamera wird das Licht von einer Objektregion, überlagert mit dem Licht der entsprechenden Referenzregion, registriert. Unter den oben genannten Kohärenzbedingungen treten in der Umgebung gleicher Interferometerarmlängen Interferenzerscheinungen auf, deren Intensität gemessen und ausgewertet wird. Der bei der Verschiebung des Objektes entlang der optischen Achse durch die Referenzebene auftretende Intensitätsverlauf wird als Korrelogramm bezeichnet. Aus dessen Maximum wird auf den Ort der Oberfläche geschlossen. In [Et95] wurde bewiesen, dass für eine optisch glatte Referenz die Standardabweichung der aus den Korrelogrammen ermittelten Orte gleich sh ist, unabhängig vom Auflösungsvermögen der Abbildung des Teleskops.

Für eine optisch glatte Referenz, ein optisch glattes Objekt mit geringer Steigung und einer Lichtquelle mit zeitlich konstantem, kontinuierlichem Spektrum gilt für die gemessene Intensität Ig [Et95]:

(Gl. 2.4)

Objektwellenamplitude: (Gl. 2.5)

Referenzwellenamplitude: (Gl. 2.6)

Intensität bei inkohärenter Überlagerung: (Gl. 2.7)

Interferenzkontrast: (Gl. 2.8)

Differenz der Interferometerarmlängen (Gl. 2.9)

Für ein gaußförmiges Spektrum ist: (Gl. 2.10)

Bandbreite der Feldstärkeverteilung (FWHM):

Bandbreite der Intensitätsverteilung (FWHM):

Für Laserlichtquellen mit diskretem Spektrum (n longitudinale Moden) kann die gemessene Intensität Ig als Summe dargestellt werden:

(Gl. 2.11)

mit (Gl. 2.12)

Die Dispersion im Interferometer wurde hierbei vernachlässigt, die Streuung am Objekt und die Detektorempfindlichkeit wurden als wellenlängenunabhängig angenommen.

Der erste Teil des Interferenzterms (Integral) in Gleichung 2.4 stellt die Fouriertransformierte des Lichtquellenspektrums in den Ortsraum dar, der zweite Teil (cos(4pz/l)) beschreibt die schnelle Modulation im Korrelogramm. Für symmetrische Spektren entspricht diese Modulation einer Kosinusfunktion. Der Interferenzkontrast C ist gleich eins, falls die Lichtamplituden aus beiden Interferometerarmen gleich sind. Da aber innerhalb eines Speckle das Licht der Elementarstreuer interferiert und aufgrund der Specklestatistik, ist diese Gleichheit eher unwahrscheinlich, so dass der Interferenzkontrast praktisch kleiner eins ist.

Abbildung 2.2 zeigt Beispielspektren, die zur Berechnung der Korrelogramme in Abbildung 2.3 und 2.4 verwendet wurden. Die Berechnung wurde für ein kontinuierliches Spektrum mit zwei Maxima (grün), für ein kontinuierliches, asymmetrisches Spektrum (schwarz) und für ein diskretes Spektrum mit gaußförmiger Einhüllenden (rot) durchgeführt. Wie Abbildung 2.3 zu entnehmen ist, besitzt das Korrelogramm für das Spektrum mit mehreren Maxima (grün) Nebenmaxima, die die Auswertung beeinträchtigen. Weiterhin weist die Fouriertransformierte dieses Spektrums mehr als einen Eindeutigkeitsbereich auf. Das bedeutet, dass bei Erhöhung der optischen Wegdifferenz um einen bestimmten Betrag die beobachteten Interferenzstrukturen wiederkehren. Diese Wegdifferenz ze ist reziprok proportional zum spektralen Abstand der Maxima lM (ze = l2/lM). Das Korrelogramm für das asymmetrische Spektrum (schwarz) besitzt hingegen nur ein Maximum, der Eindeutigkeitsbereich ist unendlich groß.

Abb. 2.2 Zur Berechnung der Korrelogramme in Abb. 2.3 und 2.4 verwendete Spektren

 

Abb. 2.3 Berechnete Korrelogramme zu den in Abb. 2.2 dargestellten Spektren

 

Abb. 2.4 Berechnete Korrelogramme zu gaußförmigen Spektren (rot: siehe Abb. 2.2)

 

Für Laserlichtquellen mit diskretem Spektrum existieren wieder mehrere Eindeutigkeitsbereiche. Aufgrund des geringen spektralen Abstands der longitudinalen Moden (Picometer) ist der Eindeutigkeitsbereich jedoch so groß, dass er praktisch nie verlassen wird. In Abbildung 2.4 ist das berechnete Korrelogramm für ein diskretes Laserspektrum mit 10000 longitudinalen Moden, einer Zentralwellenlänge von 795 nm, 21 nm Bandbreite und gaußförmiger Einhüllenden dargestellt (rot). Der Vergleich mit dem Korrelogramm für ein gaußförmiges, kontinuierliches Spektrum gleicher Bandbreite, aber kleinerer Zentralwellenlänge zeigt, dass bis auf die erwarteten Unterschiede bei der Kohärenzlänge und der Modulationsfrequenz keine Differenzen bestehen. Die Einhüllenden der Korrelogramme sind gaußförmig, es treten keine Nebenmaxima auf. Lichtquellen mit symmetrischem Spektrum und nur einem Maximum eignen sich daher besonders für das Kohärenzradar.

Zur Bestimmung des Maximums wird das Korrelogramm abgetastet, das heißt, die CCD-Kamera nimmt während des Verfahrens des Objekts durch die Referenzebene Bilder mit einer Repetitionsfrequenz von 25 Hz auf. Die gemessenen Intensitäten können nach verschiedenen Methoden ausgewertet werden. Eine Methode vergleicht die gemessene Intensität jedes Pixels mit der des nachfolgenden Bildes, der z-Wert der maximalen Intensität wird als Ort der Oberfläche gesetzt (Maximum-Methode). Die zweite Methode vergleicht die Differenz der Intensitäten zweier aufeinander folgender Bilder mit der nachfolgenden Differenz, der maximale Kontrast bestimmt den Ort der Oberfläche (Kontrast-Methode). Beide Methoden weisen bei vollständiger Abtastung des Korrelogramms (Nyquist-Theorem) die geringsten Messfehler auf. Für symmetrische Spektren hat die Modulation die Form cos (4pz/lz), der Abstand der Maxima bzw. Minima beträgt z = lz/2. Damit ergibt sich für eine Zentralwellenlänge von 800 nm eine maximale Verfahrgeschwindigkeit des Objekts von 5 µm/s (200 nm*25 Hz). Diese geringe Verfahrgeschwindigkeit bedingt Messzeiten von über drei Minuten pro Millimeter. Um die Messzeit zu verkürzen, wird das Korrelogramm unterabgetastet. Dabei hat sich die Kontrast-Methode als die zuverlässigere erwiesen.

Aufgrund der Belichtungszeit der Kamera von 40 ms pro Bild werden für cw-Lichtquellen (Halogenlampen, Dioden) und Lichtquellen mit hoher Repetitionsrate (fs-Laser) bei hoher Verfahrgeschwindigkeit die Intensitäten an unterschiedlichen Positionen des Korrelogramms aufintegriert.

Diese Integration wirkt sich nachteilig auf den Interferenzkontrast aus. Die Verringerung des Interferenzkontrastes kann zum einen durch einen elektronischen Torschalter in der Kamera verhindert werden, was aber zu einer Absenkung der gemessenen Intensität führt, zum anderen durch die Verwendung einer Lichtquelle kurzer Pulsdauer (Blitzlampe). Dabei ist die zeitliche Entwicklung des Spektrums und des lateralen Strahlprofils innerhalb der Kamera-Integrationszeit unerheblich, nicht jedoch von Bild zu Bild. Halogenlampen und Blitzlampen sind kommerziell mit mehreren 10 Watt mittlerer Ausgangsleistung erhältlich. Diese hohe Lichtleistung wird aber im Wesentlichen durch eine Erhöhung der Emitterfläche bzw. -volumen erzielt. Dies steht wiederum im Gegensatz zum Anspruch an die räumliche Kohärenz, durch eine Zwischenabbildung auf eine Blende zur Erhöhung der räumlichen Kohärenz geht ein großer Teil der Lichtleistung verloren.

 

Aus den vorangegangenen Betrachtungen können folgende Anforderungen an die Lichtquelle zusammengefasst werden:

Bisher verwendete Lichtquellen wie Superlumineszenz-Dioden (SLD), Halogenlampen, Xenon-Blitzlampen und Femtosekunden-Laser erfüllen diese Anforderungen nicht zufriedenstellend. Insbesondere die Vermessung großer und schwach streuender Objekte erfordert eine Lichtquelle, die allen Anforderungen gerecht wird.