2.3 Longitudinale optische Anregung

 

Aktive Medien von Festkörperlasern können auf zwei Arten angeregt (gepumpt) werden. Die eine Variante ist das transversale Pumpen. Diese Art der Anregung ist besonders bei Lasermedien mit hohen Fluoreszenzlebensdauern effektiv. Weiterhin müssen geeignete Pumplichtquellen vorhanden sein, das heißt, das Emissionsspektrum der Pumplichtquelle muss möglichst gut an das Absorptionsspektrum angepasst sein (Blitzlampen, Bogenlampen, Laserdioden). Die andere Variante, das longitudinale Pumpen, eignet sich besonders dann, wenn für den Bereich der Absorption Laserlichtquellen guter Strahlqualität und hoher Effizienz zur Verfügung stehen. Dabei kann das gepumpte Volumen direkt an das transversale Modenvolumen des Lasers angepasst werden, was erheblich zur Effizienzsteigerung des Lasers beiträgt. Für Lasermedien, die im sichtbaren Bereich um 500 nm absorbieren, bieten sich frequenzverdoppelte Nd:YAG- oder Nd:YALO-Laser als Pumplichtquellen an, da diese sehr leistungsstark und effizient zu realisieren sind.

Die genaue Kenntnis des Überlapps von Pumpstrahl und transversalem Mode des Lasers ist insbesondere für die Ermittlung der Verstärkung von Bedeutung. Für die Modellierung des Überlapps, der Inversionsverteilung und der thermischen Linse wurde von einem Pumpstrahl mit transversal gaußförmiger Intensitätsverteilung und einer Kaustik entsprechend einer Strahlqualität M2 ausgegangen. Der Strahlradius w(z) am Ort z der optischen Achse ergibt sich zu:

(Gl. 2.23)

Hierbei ist lp die Wellenlänge des Pumplichts (532 nm für frequenzverdoppelten Nd:YAG), z0 der Ort der Strahltaille und w0 der Taillenradius des Pumpstrahls (Abb. 2.16). Die Veränderung der Kaustik im Kristall aufgrund des höheren Brechungsindex wurde vernachlässigt, da die experimentelle Bestimmung des Taillenradius und des Ortes der Strahltaille mit größeren Fehlern behaftet sind, so dass dieser Näherungsfehler nicht ins Gewicht fällt. Weiterhin wurde eine eventuell vorhandene thermische Linse im Kristall für den Pumpstrahl vernachlässigt, da diese beim einfachen Durchgang nur marginale Auswirkungen hat.

Da Ti:Saphir und Alexandrit linear polarisiert betrieben werden, werden die Kristalle für die longitudinale Anregung im Brewsterwinkel der jeweiligen Kristallachse geschnitten. Das ermöglicht eine nahezu verlustfreie Einkopplung des linear polarisierten Pumplichts, die Zerstörschwelle der Endfläche ist wegen der fehlenden Antireflex-Beschichtung sehr hoch. Der Lichteinfall unter dem Brewsterwinkel bewirkt eine Strahlradiusänderung im Kristall in x-Richtung (x||E) um den Faktor np (Brechungsindex bei der Pumpwellenlänge).

Abb. 2.16 Schema der Kaustiken des Pumpstrahls (grün) und des transversalen Modes (rot) im Kristall (x - Richtung des E-Feldes; y – senkrecht zu x und z, z - Ausbreitungsrichtung)

 

2.3.1 Modellierung der thermischen Linse

 

Durch das longitudinale Pumpen führt das im Laserkristall absorbierte Pumplicht über den Quantendefekt und den begrenzten Wirkungsgrad des Lasers zu einer örtlichen Temperaturverteilung und über die Temperaturabhängigkeit des Brechungsindex zu einer Brechungsindexverteilung (thermische Linse).

Die orts- und zeitabhängige Temperaturverteilung, generiert durch gepulste Laser, wurde von Lu et al. [Lu99] unter folgenden Annahmen und Näherungen analytisch gelöst:

Die zeitabhängige Intensität i(t) des einfallenden Laserpulses ist proportional zu:

(Gl. 2.24)

t0 ist die Abklingzeit der Intensität im Puls. Für die oben gemachten Annahmen ergibt sich die orts- und zeitabhängige Temperaturänderung DT(r,z,t) zu:

(Gl. 2.25)

(Gl. 2.26)

J0 (di r) Besselfunktion nullter Ordnung

di Integrationsvariable

E0 Energie, die zur thermischen Linse beiträgt

a thermische Diffusion

k Wärmeleitfähigkeit

Lcr Länge des Kristalls

b Absorptionskoeffizient für die Pumpwellenlänge

Die oben getätigten Annahmen und Näherungen werden im betrachteten Fall gut erfüllt. Bei Anregung mit passiv gütegeschalteten und frequenzverdoppelten Grundmodelasern liegen die Pulsdauern bei einigen zehn Nanosekunden, die zeitliche Pulsform ist nahezu gaußförmig und das Strahlprofil ist rotationssymmetrisch. Für die betrachteten Medien Ti:Saphir und Alexandrit sind die thermischen Leitfähigkeiten der unterschiedlichen Kristallrichtungen nur wenig verschieden, die Näherung eines homogenen Mediums birgt nur ein geringes Fehlerpotential.

Da die thermischen Leitfähigkeiten von Alexandrit und Ti:Saphir um Größenordnungen besser sind als die von Luft und der Pumpstrahlradius eine Größenordnung kleiner ist als der Kristallradius, ist die Annahme über ausschließlich radialen Wärmetransport gerechtfertigt. Die Annahme, dass die Temperatur zum Startzeitpunkt überall konstant ist, ist für kurz aufeinander folgende Pulse in guter Näherung erfüllt. Das Modell beinhaltet keine Sättigungseffekte der Absorption. Die Temperaturverteilung und damit die thermische Linse werden nur dann richtig wiedergegeben, wenn die Sättigung der Absorption vernachlässigt werden kann.

Die resultierende Brechungsindexverteilung n(r, z, t) im Laserkristall ergibt sich wie folgt:

(Gl. 2.27)

Hierbei ist n0 der Brechungsindex bei Umgebungstemperatur, DnT die Brechungsindexänderung pro K Temperaturänderung und DnV Brechungsindexänderung pro Besetzungsdichteänderung DN3(r,z,t) aufgrund des photoelastischen Effekts. Der photoelastische Effekt ist bei Ti:Saphir wegen der starken Elektron-Phonon-Kopplung stark ausgeprägt [Ei92].

Im Fall der Anregung mit einer Folge von ns-Pulsen mit zeitlichem Abstand von einigen 10 s (Pulszug) summieren sich die Temperaturänderungs-Verteilungen zu den jeweiligen Zeitpunkten auf, da die thermische Relaxationszeit tre für Ti:Saphir und Alexandrit bei einem Pumpradius von 100 µm im Bereich von 200 µs liegt:

(Gl. 2.28)

tm stellt den Zeitpunkt des m-ten Pulses dar, ti die Zeitpunkte vom i-ten bis zum m-ten Puls. Abbildung 2.17 zeigt die bis zum 11. Puls aufsummierte Temperaturänderungs-Verteilung eines Pulszugs von 486 µs Dauer, 11 Pulsen mit einer Pulsdauer von 20 ns und zeitlich gleichem Abstand. Die Kristalllänge z beträgt 20 mm, die thermisch wirksame Energie E0 beträgt 1-htot mal der eingestrahlten Pulsenergie (htot-optischer Wirkungsgrad).

Brechungsindexverteilung für die 11 Pulse im Pulszug

Abb. 2.17 nach Gl 2.25 und Gl 2.26 berechnete und aufsummierte Temperaturänderung über r und z für den 11. Puls im Pulszug

 

 

2.3.2 Anregung mittels Verstärkungsschaltung

 

Optische Anregungen mit Pulsdauern, die kürzer sind als die Pulsaufbauzeit im Resonator, werden als Verstärkungsschaltung bezeichnet. Die Pulsaufbauzeit hängt von den Resonatorverlusten, der Resonatorlänge und der Verstärkung im Lasermedium ab. Mit Hilfe der Verstärkungsschaltung lassen sich auch in Lasermedien mit sehr kurzer Fluoreszenzlebensdauer hohe Verstärkungen realisieren.

Abbildung 2.18 zeigt das Energieschema vibronischer Lasermedien als Vier-Niveau-System. Da die Anregung vorwiegend aus dem hoch besetzten Grundzustand n1 in das energetisch hohe Niveau n4 erfolgt und die nichtstrahlenden Relaxationszeiten sehr kurz sind, verglichen mit der Fluoreszenzlebensdauer, kann für die Absorption die Anfangsbesetzungsdichte N1 des Niveaus n1 gleich der Dotierungsdichte und die Besetzungsdichte N4 gleich der Besetzungsdichte N3 gesetzt werden. Das Niveau n4 ist aufgrund des großen energetischen Abstands bezüglich n3 nicht thermisch besetzt.

Abb. 2.18 Energieschema vibronischer Lasermedien als Vier-Niveau-System

 

Die Bedingungen der Verstärkungsschaltung erlauben, die Ratengleichungen für Absorption und Emission zu entkoppeln und die spontane Emission zu vernachlässigen. Die Ratengleichungen für die Absorption lauten:

(Gl. 2.29)

(Gl. 2.30)

(Gl. 2.31)

Hierbei ist sa der Absorptionsquerschnitt bei der Pumpwellenlänge lp, Ip(x,y,z,t) beschreibt die zeitabhängige, räumliche Intensitätsverteilung des Pumplichts. Gleichung 2.29 beschreibt die zeitliche Änderung der Inversion, Gleichung 2.30 die Entleerung des Grundniveaus und Gleichung 2.31 die Abnahme der Intensität des Pumplichts im Kristall.

Das longitudinale Pumpen unter Brewsterwinkel bedingt eine Strahlaufweitung in x-Richtung (x||E) um n (Brechungsindex), der Strahlquerschnitt wird elliptisch. Aufgrund des integralen Zusammenhangs zwischen dem rotationssymmetrischen und dem elliptischen Gauß-Profil (Gleichung 2.32) ist die Intensität im Kristall um den Faktor n kleiner als außerhalb.

(Gl. 2.32)

In Abbildung 2.19 sind die Zeitverläufe des einfallenden und des mit den Ratengleichungen berechneten transmittierten Pulses dargestellt. Es ist zu erkennen, dass das Maximum des transmittierten Lichts zeitlich verzögert auftritt. Dies ist kein Laufzeiteffekt, sondern ein Effekt der Sättigung im Kristall. Die blaue Kurve stellt die bis zum gegebenen Zeitpunkt im Kristall absorbierte Energie dar und ist proportional zur Inversion. Der Wendepunkt dieser Kurve wird als Zeitpunkt tgs der Verstärkungsschaltung definiert.

Abbildung 2.20 zeigt die mit Hilfe der Ratengleichungen berechnete Inversionsdichteverteilung in y-Richtung. In z-Richtung ist der Abfall der Inversionsdichte nicht exakt exponentiell, im vorderen Bereich sind leichte Sättigungserscheinungen zu erkennen.

Verschiebung des Zeitpunktes der Verstärkungsschaltung

Abb. 2.19 Zeitverläufe der Intensität des einfallenden und des transmittierten Pulses für Ti:Saphir (0,1 wt%) und der absorbierten Energie für einen Strahlradius(y) von 120 µm und einer Strahlqualität von M2 = 1,7

 

Inversionsdichteverteilung für verschiedene Pumpenergien

Abb. 2.20 Inversionsdichteverteilung im Ti:Saphir (0,1 wt%) für eine Pumppulsenergie von 4,5 mJ, einen Strahlradius(y) von 120 µm und einer Strahlqualität von M2 = 1,7

 

Die aus der Inversionsdichteverteilung resultierende Verteilung der Kleinsignalverstärkung in x und y ist in Abbildung 2.21 dargestellt. Aus der Temperatur- und Inversionsabhängigkeit der spektralen Verteilung der Verstärkung (Gl. 2.13) ergibt sich eine räumliche Verteilung der Wellenlänge des Maximums der Verstärkung (Abb. 2.22). Dies führt dazu, dass verschiedene transversale Moden eine spektral unterschiedliche Verstärkung erfahren. Die Auswirkungen auf das Spektrum der Laserstrahlung werden später diskutiert.

Verteilung der Kleinsignalverstärkung über die Stablänge

Abb. 2.21 Kleinsignalverstärkung über x und y in der obersten 1,25 mm starken gepumpten Fläche des Ti:Saphir-Stabes (0,1 wt%)

 

Verteilung der Wellenlänge am Maximum über die Stablänge

Abb. 2.22 Wellenlänge am Maximum der Verstärkung zur Verstärkungsverteilung aus Abb. 2.21

 

 


Abb. 2.21a Kleinsignalverstärkung über x und y in der obersten 1,25 mm starken gepumpten Fläche des Alexandrit-Stabes (0,5 at%)

 

Abb. 2.22a Wellenlänge am Maximum der Verstärkung zur Verstärkungsverteilung aus Abb. 2.21a


 

 

2.3.3 Quasi-kontinuierliche Anregung

 

Die Anregung eines aktiven Lasermediums mit zeitlich langen Pulsen, die nach einem kurzem Einschwingverhalten zu einem Verhalten führt, das dem eines Lasers mit kontinuierlicher Anregung entspricht, wird als quasi-kontinuierliche (qcw-) Anregung bezeichnet. Für die longitudinale Anregung bedeutet das, dass die Ratengleichungen der Absorption und der Emission gekoppelt sind. Mit der longitudinalen qcw-Anregung sind höhere Verstärkungen erreichbar als mit kontinuierlicher Anregung, sie eignet sich daher für Lasermedien mit geringer Fluoreszenzlebensdauer wie Ti:Saphir.

Zur Berechnung des transversalen Modes im Laserkristall (Kapitel 2.5.1) wird die Verstärkungsverteilung benötigt. Da diese von der Pumprate und der Laseremission abhängig ist, die Laseremission wiederum vom Überlapp des transversalen Modes mit dem Verstärkungsprofil, ist die Berechnung sehr umständlich. Um den Rechenaufwand zu reduzieren, wurde zur Bestimmung des Verstärkungsprofils die stimulierte Emission außer Acht gelassen. Die Ratengleichungen für die Absorption lauten dann:

(Gl. 2.33)

(Gl. 2.34)

(Gl. 2.35)

Die Ratengleichungen ähneln denen aus Kapitel 2.3.2, sie sind um den Anteil der spontanen Emission erweitert. tf bezeichnet dabei die Fluoreszenzlebensdauer.

Abbildung 2.23 zeigt die Inversionsdichteverteilung im Maximum des Pumppulses der zeitlichen Form nach Gl. 2.24 mit t0 = 340 µs. Die maximale Besetzungsdichte beträgt weniger als 5% der Dotierungsdichte von 3,3*1019 cm-3. In diesem Profil sind keine Sättigungserscheinungen zu erkennen.

Inversionsdichteverteilung zu verschiedenen Zeitpunkten im Puls

Abb. 2.23 Inversionsdichteverteilung im Ti:Saphir (0,1 wt%) für eine Pumppulsenergie von 41 mJ, einen Strahlradius(y) von 70 µm und einer Strahlqualität von M2 = 1,7

 

Die Zeitverläufe des einfallenden und des mit den Ratengleichungen berechneten transmittierten Pulses sind in Abbildung 2.24 dargestellt. Die blaue Kurve entspricht der im Kristall absorbierten Energie, deren Zeitableitung bestimmt die zeitabhängige Pumprate (Abb. 2.25). Aufgrund der kurzen Fluoreszenzlebensdauer des Ti:Saphir liegt die unter diesen Pumpbedingungen erreichte Inversionsdichte unter einem Prozent der Dotierungsdichte, die stimulierte Emission kann deshalb in den Ratengleichungen der Absorption vernachlässigt werden.

Abb. 2.24 Berechnete Zeitverläufe der Intensität des einfallenden und des transmittierten Pulses für Ti:Saphir (0,1 wt%) und der absorbierten Energie für einen Strahlradius(y) von 70 µm und einer Strahlqualität von M2 = 1,7

 

Abb. 2.25 Berechnete zeitabhängige Pumprate für den in Abb. 2.23 dargestellten Pulsverlauf. Die Zeitschritte der numerischen Berechnung betrugen 120 ns.