2.5 Ratengleichungen der Emission vibronischer Lasermedien

 

Vibronische Festkörper-Lasermedien besitzen aufgrund ihrer besonderen elektronischen Struktur Eigenschaften eines Drei-Niveau-Systems und eines Vier-Niveau-Systems, abhängig von der Übergangsenergie. Für schmalbandig durchstimmbare Laser finden die vibronischen Einflüsse im Inversionsreduktionsfaktor g(l) Ausdruck [Le94]. Ausgehend von einem Vier-Niveau-System bei geringer Übergangsenergie wird die effektive Inversion um g(l) bei höherer Übergangsenergie reduziert. Ist die Übergangsenergie gleich der Null-Phononen-Energie, liegt ein Drei-Niveau-System vor.

Zugrunde gelegt wird hier ein Vier-Niveau-System, dessen Eigenschaften an die Bedingungen des vibronischen, breitbandigen Betriebs angepasst werden (Abb. 2.34). Dabei werden die Niveaus n2 und n3 auf kontinuierliche Bänder erweitert, entsprechend der spektralen Abhängigkeit des Emissionswirkungsquerschnitts. Die Beschreibung der Laserdynamik breitbandiger Laser macht es notwendig, die Ratengleichungen auf eine Vielzahl von longitudinalen Moden zu erweitern. In [Ba99] ist das für Ti:Saphir im Rahmen von resonatorinterner Absorptionsspektroskopie erstmalig vorgestellt worden.

Abb. 2.34 Energieschema vibronischer Lasermedien als Vier-Niveau-System

 

Als Besonderheit vibronischer Lasermedien gelten für die effektive Verstärkung geff(l) in Abhängigkeit von der effektiven Inversionsdichte Neff alternativ eine der folgenden Beziehungen:

(Gl. 2.40)

(Gl. 2.41)

Die Absorption aus dem thermisch besetzten Zustand n2 in das Niveau n3 erfolgt im Gegensatz zum idealen Vier-Niveau-System nicht mit dem Emissionswirkungsquerschnitt, sondern mit dem Absorptionswirkungsquerschnitt bei diesen Wellenlängen. Darin spiegelt sich der Unterschied zwischen Stokes- und Anti-Stokes-Übergängen wider.

Die numerische Lösung der Ratengleichungen der Emission dient der Vorhersage der Pulsenergie, der Pulsaufbauzeit und der Pulsdauer sowie der zeitlichen Entwicklung des Emissionsspektrums. Als Parameter gehen die spektrale Abhängigkeit der Reflexionsgrade der Laserspiegel und der resonatorinternen Verluste, die Fluoreszenzrate, die Resonatorgeometrie und die Pumpbedingungen ein. Die Energien ergeben sich durch Integration der Intensität über die Wellenlänge, die Zeit und die emittierende Fläche.

 

 

2.5.1 Verstärkungsschaltung

 

In den Ratengleichungen ist die Ortsabhängigkeit der Inversion durch die Berechnung des Modenüberlapps eliminiert worden. Die spektrale Abhängigkeit ist in geff(l) integriert, Neff ergibt sich aus dem Modenüberlapp am Maximum der Verstärkung. Die Ratengleichungen lauten dann:

(Gl. 2.42)

(Gl. 2.43)

Hierbei ist I(l) die Intensität pro Wellenlängenintervall, P(t) die zeitabhängige Pumprate, tres die Lebensdauer der Photonen im Resonator, Lkr die Länge des verstärkenden Mediums und S(l,t) die zeitabhängige Fluoreszenzrate. Die Photonenlebensdauer im Resonator ergibt sich aus der Resonatorlänge Lres, den Reflexionsverläufen R1(l) und R2(l) der Resonatorspiegel sowie aus den internen Resonatorverlusten V(l) zu:

(Gl. 2.44)

In den internen Verlusten sind Absorptionsverluste im Kristall, Reflexionen an den Kristallendflächen und der thermische Einfluss auf den Brewsterwinkel integriert. Gleichung 2.42 beschreibt die zeitliche Änderung der Inversion, Gleichung 2.43 die Zunahme der Intensität im Resonator. Die homogene Verbreiterung findet sich in der Summe in Gl. 2.42 wieder. Die stimulierte Emission an jeder Stelle des Spektrums führt zu einer Verringerung der Gesamtbesetzung. Die Auswirkungen der spontanen Emission auf die Inversionsdichte darf bei Ti:Saphir nicht vernachlässigt werden. Eggleston et al. zeigten in [Eg88], dass die Laserschwelle durch die spontane Emission erheblich erhöht wird. Die Pumprate ergibt sich aus der Zeitableitung der absorbierten Energie, die Fluoreszenzrate ist zur Inversion proportional.

Die Ratengleichungen wurden numerisch mit einer zeitlichen Auflösung von 6 ps und einer spektralen Auflösung von 50 pm gelöst.

Pulsverläufe und Bandbreite für verschiedene Fluoreszenzraten

Abb. 2.35 Pulsaufbauzeit, Pulsdauer und Pulsenergie (blau) in Abhängigkeit von der Fluoreszenzrate für den Resonator T3

 

In Abbildung 2.35 sind die berechnete Pulsaufbauzeit, die Pulsdauer und die Pulsenergie als Funktion der Fluoreszenzrate aufgetragen. Die Pulsenergie ist maximal bei einer Fluoreszenzrate von 10-10 W/(cm2s), bei geringeren Raten sinkt sie aufgrund der Verluste während der längeren Pulsaufbauzeit, die Pulsdauer bleibt nahezu unverändert. Dieses rechnerische Ergebnis erlaubt die Anpassung der berechneten Pulsaufbauzeiten an die gemessenen über die Fluoreszenzrate, ohne Fehler bei der Pulsdauer und der Pulsenergie einzuschließen.

Die berechnete zeitliche Entwicklung des Emissionsspektrums und der Intensität des Ti:Saphir-Lasers sind in Abbildung 2.36 dargestellt. Es wird deutlich, dass sich das Emissionsspektrum des Lasers schon während des Pumpvorganges von 48 ns stark einschnürt (blau). Die Bandbreite und die Wellenlänge im Maximum der Intensität ändern sich während des emittierten Laserpulses nicht [vgl. Lo99]. Die Angabe dieser Werte bei sehr geringer Verstärkung ist nicht sinnvoll. Der Vergleich des Spektrums mit Berücksichtigung des Modenüberlapps mit dem ohne Berücksichtigung des Modenüberlapps (Abb. 2.37) zeigt, dass die Spitzenintensitäten bei verschiedenen Wellenlängen liegen und die Bandbreiten stark differieren. Die leichte Modulation des Spektrums resultiert aus der Interpolation bei der Berechnung des Modenüberlapps.

Abb. 2.36 berechnete zeitliche Entwicklung der Wellenlänge am Intensitätsmaximum, der Bandbreite und der Intensität (Resonator T3)

 

Abb. 2.37 berechnete Spektren mit und ohne Berücksichtigung des Modenüberlapps (Resonator T3)

 

Die Berechnung der zeitlichen Entwicklung der Verstärkung im Ti:Saphir und der emittierten Intensität ergeben folgendes (Abb. 2.38): Die Kleinsignalverstärkung baut sich während des Pumpvorgangs von 48 ns auf, bleibt bis zur Pulsemission nahezu konstant und fällt dann innerhalb von wenigen ns ab. Die Intensität im Puls wächst gleichzeitig exponentiell an, die zeitlich exponentiell abfallende Flanke resultiert aus der Photonenlebensdauer im Resonator.

Bei sehr geringer Verstärkung am Anfang des Pumpvorgangs ist das Emissionsspektrum des Lasers durch das Fluoreszenzspektrum und die Reflexionsverläufe der Resonatorspiegel geprägt. In Abbildung 2.39 sind das für den Resonator T3 berechnete und normierte Emissionsspektrum nach 6 ns, das normierte Fluoreszenzspektrum, der normierte Reflexionsverlauf des Auskoppelspiegels (R=80%) und das normierte Produkt der Reflexionsverläufe des HR-Spiegels und des OC-Spiegels dargestellt. Durch die geringe Auskopplung (OC) am Fluoreszenzmaximum bei 780 nm sowie durch die Rückkopplung (HRM) und erhöhte Auskopplung bei 830 nm liegt das Maximum des Emissionsspektrums rotverschoben zum Fluoreszenzmaximum. Die Nebenmaxima resultieren aus den Nebenmaxima des Reflexionsverlaufs des hochreflektierenden Spiegels (vgl. Abb. 3.1).

Abb. 2.38 berechnete zeitliche Entwicklung der Verstärkung im Ti:Saphir und der Intensität des emittierten Lichts (Resonator T3)

 

Abb. 2.39 normierte spektrale Verläufe der Spiegelreflexionsgrade, der Fluoreszenz und der berechneten Emission des Resonators T3

 

In Abbildung 2.40 sind die berechneten Pulsenergien im Pulszug für verschiedene Pumpradien dargestellt. Sie sind grundlegend für die Berechnung der Strahlqualität (siehe Kapitel 2.4.2). Es wird ersichtlich, dass bei Pumpradien, die größer sind als der Modenradius ohne thermische Linse (120 µm), die Pulsenergien gering sind und nur geringen Schwankungen im Pulszug unterliegen. Aufgrund des breiten räumlichen Verstärkungsprofils ändert sich der Modenüberlapp durch die thermische Linse nur wenig. Bei kleinen Pumpradien sind diese Schwankungen recht deutlich, sie resultieren aus dem sich stark verändernden Modenüberlapp im Ti:Saphir.

Abb. 2.40 berechnete Pulsenergien im Pulszug für unterschiedliche Pumpradien für den Resonator T3 (Energien zu Kaustiken in Abb. 2.32)

 

 

2.5.2 Emission bei quasi-kontinuierlicher Anregung

 

Im Fall der qcw-Anregung können die Ratengleichungen der Absorption und der Emission nur unter besonderen Bedingungen entkoppelt werden. Für die hier gewählten Pumpbedingungen (siehe Kapitel 2.3.3) beträgt die maximale Inversionsdichte im Ti:Saphir ohne stimulierte Emission unter einem Prozent der Dotierungsdichte, Sättigungseffekte der Absorption können deshalb ausgeschlossen werden. Die Pumprate ohne Berücksichtigung der stimulierten Emission kann deshalb gleich der Pumprate mit stimulierter Emission gesetzt werden.

Im Gegensatz zur Verstärkungsschaltung kann die nichtstrahlende Zerfallsrate beim quasi-kontinuierlichen Betrieb von Ti:Saphir nicht vernachlässigt werden. Die nichtstrahlende Zerfallsrate bestimmt den Quantenwirkungsgrad hQ, das heißt, den Anteil der angeregten Ionen, der der stimulierten Emission zur Verfügung steht. Der Quantenwirkungsgrad ergibt sich aus dem Verhältnis der während der Fluoreszenzlebensdauer strahlend zerfallenen angeregten Zustände zur Gesamtzahl der angeregten Zustände. Die Ratengleichungen lauten damit:

(Gl. 2.45)

(Gl. 2.46)

Der Modenüberlapp kann aufgrund der zeitlich variierenden Pumprate nicht mehr als über den Zeitraum der Emission konstant angenommen werden. Die Kleinsignalverstärkung ergibt sich zu:

(Gl. 2.47)

Die Ratengleichungen wurden numerisch mit einer zeitlichen Auflösung von 24 ps und einer spektralen Auflösung von 50 pm gelöst, der Modenüberlapp wurde mit einem zeitlichen Abstand von 37,5 µs berechnet.

Abb. 2.41 berechnete zeitliche Entwicklung der Intensität des emittierten Pulses

 

In Abbildung 2.41 sind der aus der Regression von Gleichung 2.24 an den experimentell ermittelten Pumppulsverlauf (grün) und der berechnete Ti:Saphir-Laserpuls (rot) dargestellt. Es wird deutlich, dass Emission nur im Bereich der maximalen Pumpintensität stattfindet. Ursache hierfür ist die geringe Inversion aufgrund der kurzen Fluoreszenzlebensdauer im Ti:Saphir. Zu Beginn der Emission sind Relaxationsschwingungen zu erkennen (Abb. 2.42).

Abbildung 2.43 zeigt das berechnete Gesamtspektrum des quasi-kontinuierlichen Pulses. Die berechnete Bandbreite von 5 nm entsteht durch eine geringe Drift (ca. 2,5 nm) des Intensitätsmaximums des Spektrums während des Pulses durch die Veränderung des Modenüberlapps.

Abb. 2.42 berechnete Relaxationsschwingungen zu Beginn des emittierten Pulses

 

Abb. 2.43 berechnetes Gesamtspektrum des qcw-Pulses und Gauß-Regression (rot)

 

Ursache der Veränderung der Bandbreite und der Wellenlänge am Maximum während des Pulses ist die Veränderung des Überlapps vom transversalen Mode und dem Verstärkungsprofil im Kristall (Modenüberlapp). Die sich verändernde, aberrierte thermische Linse führt zu Nebenmaxima in der transversalen Intensitätsverteilung (vgl. Kapitel 2.4), abhängig von der Wellenlänge. In Abbildung 2.44 sind die effektiven Besetzungsdichteverläufe für die in Abbildung 2.32 markierten Wellenlängen dargestellt. Deutlich ist die Abweichung der zeitlichen Abhängigkeit der effektiven Besetzungsdichte vom Pumpratenverlauf (Abb. 2.24) zu erkennen. Die spektrale Abhängigkeit resultiert aus der Dispersion und der spektralen Abhängigkeit der Beugung.

Abb. 2.44 zeitliche und spektrale Abhängigkeit der effektiven Inversionsdichte für die in Abbildung 2.32 markierten Wellenlängen